Die Kraft von Schwarz – Warum es diese Farbe in meiner Kunsttherapie nur selten gibt
Ahoi liebe Leserin, lieber Leser,
Schwarz ist eine mächtige Farbe. Sie kann Tiefe geben, Dinge betonen und sogar beruhigen. Und trotzdem gibt es Schwarz in meiner Kunsttherapie normalerweise nicht. Das hat gleich mehrere Gründe – und einen ganz besonderen Moment, in dem ich es bewusst einsetze.

Warum Schwarz bei mir nicht alltäglich ist
- Schwarz lässt sich nur schwer „zurückholen“ Ist das Blatt erst einmal schwarz, kann man kaum noch etwas ändern. Neue Schichten oder Farben verschwinden. Es fühlt sich oft so an, als wäre alles zu – und das möchte ich für meine Patient*innen nicht als Ausgangspunkt setzen.
- Dunkel mischen braucht Zeit Wer versucht, eine dunkle Farbe ähnlich wie Schwarz selbst zu mischen, merkt: Es dauert lange, bis diese Tiefe erreicht ist. Genau wie bei schweren Gefühlen – sie entstehen nicht plötzlich, sondern entwickeln sich über viele kleine Schritte. Und das ist erlaubt: In meiner Kunsttherapie darf Schwarz entstehen – aber nur, wenn es gemischt wird. So entsteht es langsam, bewusst, und nicht als schnelle Flucht in eine dunkle Fläche.
- Der schwarze Gürtel im Kampfsport Dieses Bild mag ich besonders: Bis jemand den schwarzen Gürtel trägt, vergehen Jahre voller Übung, Ausdauer und Auseinandersetzung. Schwarz steht hier für Erfahrung, Tiefe und eine bewusste Entscheidung – nicht für den Anfang. Genau so sehe ich es in der Kunsttherapie: Schwarz ist nicht einfach da. Es wird bewusst gewählt.
- Eine gute Zeit mit sich selbst In der Kunsttherapie wünsche ich mir, dass die Menschen eine gute Zeit mit sich selbst verbringen. Die Schwere kommt im Leben oft von ganz allein – in der Therapie darf es Raum für Licht, Hoffnung und neue Perspektiven geben.

Schwarz in der klassischen Malerei
In der Kunstgeschichte hatte Schwarz immer eine besondere Rolle. Künstler wie Rembrandt, Goya oder Manet setzten Schwarz bewusst ein, um Tiefe, Schatten und Dramatik zu erzeugen. Es war nicht einfach eine „Hintergrundfarbe“, sondern ein kraftvolles Gestaltungsmittel, das Kontraste hervorhob und Licht umso heller wirken ließ.
In der Malerei wird Schwarz oft als Gegenspieler von Weiß gesehen – und genau darin liegt seine Spannung.

Schwarz als Kleidungsfarbe – und seine Bedeutung
Schwarz hat je nach Kultur und Epoche ganz unterschiedliche Bedeutungen:
- In Europa ist es oft mit Trauer verbunden, aber auch mit Eleganz, Autorität und Schlichtheit.
- In Japan kann Schwarz sowohl Trauerfarbe als auch Symbol für Erfahrung, Reife und Würde sein.
- In Mode und Design gilt Schwarz als zeitlos, edel und kraftvoll – „kleine Schwarze“ und Anzüge sind Klassiker, weil sie Selbstbewusstsein ausstrahlen.
So wie in der Kleidung wirkt Schwarz auch im Bild: Es kann abschirmen, schützen, aber auch öffnen für Tiefe und Ausdruck.

Wenn Schwarz doch ins Spiel kommt
Manchmal gibt es Patient*innen, die unbedingt mit Schwarz malen wollen. In solchen Fällen kann Schwarz zum Thema einer ganzen Stunde werden. Dann lade ich dazu ein, Schwarz in seiner ganzen Bandbreite zu erforschen:
Wie fühlt es sich an? Was entsteht, wenn es den Raum bekommt? Wo liegt seine Schönheit?
Als Gefühlsfarbe ist Schwarz häufig verbunden mit Trauer, Leere, Dunkelheit – aber auch mit Stärke, Klarheit und Konzentration. Schwarz kann es auch erlauben innere Themen sichtbar zu machen, ohne sie sofort preiszugeben. Schwarz kann auch stehen für Struktur und Ordnung – Linien und Kontraste geben Halt, besonders bei innerer Anspannung oder Unruhe. In der Reduktion kann Schwarz mehr Tiefe und Fokus bedeuten.
Gerade dann kann Schwarz zeigen, dass es nicht nur dunkel, sondern auch kraftvoll, elegant und sogar schützend sein kann.

Praxisidee: „Malen nur mit Schwarz“
Spuren, Schatten, Schutz – Eine Einheit für die Kunsttherapie
Es wird nur in der Farbe Schwarz gemalt. Schwarz kann stark sein, ruhig und geheimnisvoll oder traurig. Probiere aus was Schwarz auf dem Papier macht. Es geht nicht darum schön zu malen, sondern ehrlich.
Materialien:
- schwarze Tusche
- Wasserfarben
- Filzstifte
- Kohle
- Graphit
Papier:
- weiß, grau oder braun (z.B. Kraftpapier)
Werkzeug:
- Pinsel, Wattestäbchen, Schwämme, Lappen
Optional:
- Pipette, Wasserbecher, Küchenrolle
Anleitung:
Lege dein Material bereit – Atme tief ein und aus . Male mit Schwarz – Tropfen, Linien, Flächen, Muster, Punkte. Verwende gern Wasser, um Übergänge und Verläufe zu gestalten. Es gibt kein Richtig oder Falsch.

Reflexionsfragen (für Einzel- oder Gruppengespräch):
- Wie war es nur mit Schwarz zu arbeiten?
- Was ist entstanden auf deinem Bild?
- Wie fühlt sich dein Bild für dich an?
- War Schwarz heute eher freundlich oder schwer?
- Möchtest du dein Bild noch ergänzen oder ändern?
- Würdest du das nächste Mal liebe in einer anderen Farbe arbeiten?
Aussicht:
In der nächsten Einheit wird nur mit einer hellen Farbe gemalt, z.B. Gelb oder Rosa. Was verändert sich? Wie wirkt das im Vergleich zu Schwarz?
💬 Und du?
Wie gehst du mit Schwarz in deiner Kunst oder deinem Leben um? Ist es für dich eher Schwere – oder eher Stärke?

Farben mischen – von Grundfarben bis zum eigenen Schwarz (2/3)
Deine Farbpalette finden – so malst du in deinem ganz persönlichem Farbraum (3/3)

